Allradstreifzüge durch Transdanubien

Im Sommer 2020 durchstreiften Vaddern und ich erstmals Ungarn per Allrad und sammelten dabei unsere ersten Offroad-Erfahrungen. In Erinnerung an die schöne Landschaft Transdanubiens breche ich 2023 zusammen mit Freunden erneut gen Ungarn auf.

Offroadtaufe in Ungarn

Ein Scheppern hallt durch den Wald, als der Jeep in Schräglage gegen den Baum rutscht. Die Rockslider haben glücklicherweise schlimmeres verhindert. Sofort bereiten Marco und ich die Winde vor, und da wir unsere Fahrzeuge bereits regelmäßig im Baltikum bergen mussten, sind wir ein eingespieltes Team.

Viele Offroad-Fahrer erzählten mir im Vorfeld von ihrer Offroadtaufe in Ungarn, die nicht für alle ein angenehmes Ereignis war – ähnlich erging es mir damals im Sommer 2020. Zu dem Zeitpunkt war der Ranger noch ziemlich neu und nur spärlich ausgerüstet, als Vaddern und ich die nördlichen Donau-Auen überwanden. Verschlammte Wege, tiefe Furten und aufgewühlte Sandpisten verlangten mir damals einiges ab. Heute, drei Jahre später, ist der Ranger bereits deutlich besser ausgestattet und auch ich habe Offroaderfahrung im Feld sammeln können. Gute Voraussetzungen also für etwas weniger blank liegende Nerven auf dieser Offroad-Tour durch Ungarn.

Transdanubien ist der ungarische Landstrich südlich und westlich der Donau. Übersetzt heißt es so viel wie „Land jenseits der Donau“. Im Handgepäck habe ich alte Postkarten, Reiseerzählungen  aus vergangenen Zeiten und ein Buch von Reinhold Vetter mit dem Titel „Ungarn – Ein Länderportrait“. Somit ist das Ziel für die nächsten Tage klar: Auf der Suche nach alten Reisegeschichten und den besten Tracks werden Tamas, Marco, unsere Beifahrer und ich Transdanubien durchstreifen. Dabei wird die vorzügliche, ungarischen Küche natürlich nicht zu kurz kommen.

Persönlicher Buchtipp:

In diesem 208-seitigen Buch schreibt der Autor Reinhold Vetter über Ungarn und befasst sich mit u.a. mit gesellschaftlichen, sozialen, regionalen und allgemeinen Themen. Auch die Eigenarten der Ungarn sowie ihre Küche wird dabei näher beleuchtet.


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Overlanding in Ungarn bedeutet vor allem eins: Abwechslungsreiche Pisten

So vielfältig das Land, so vielfältig sind hier auch die Pisten: Zwischen Donau und Balaton fuhren Vaddern und ich einst über strandhelle Sandpisten, während wir die Autos im Norden des Landes an der Donau  durch Furten und über tiefe Schlammpisten navigierten. Rund um den Balaton sind es zumeist einfache, feste Erdpisten, welche durch offene Graslandschaften und vorbei an den Bassaltbergen der transdanubischen Vulkanregion führen. Vor den Wäldern sollte man sich jedoch in Acht nehmen: Hier verdunstet die Feuchtigkeit nur sehr langsam und sorgt für schmierige Tracks – so wie wir es direkt am ersten Tag erlebt haben.

In den sieben Tagen vor Ort durchstreifen wir die Region in alle Richtungen und bewegen uns dabei Offroad durch Ungarns schönsten Landstrich über unbefestigte Wege und geflickte Asphaltstraßen. Besonderen Gefallen finden wir an Wiesenwegen im Panorama des Balatons. Dann und wann passieren wir kleine Ortschaften mit ihren zumeist ockerfarben getünchten Häusern und genehmigen uns ein leckeres Eis. Der Buchautor Vetter schreibt ergänzend zu unseren Eindrücken: „Hinzu kommen die bürgerlich gestalteten Städte, die Idylle der Dörfer und die großen botanischen Parks. Die landschaftliche Vielfalt dieser Region reicht von den Auen an der Donau über Mittelgebirge wie Bakony bis zum welligen Hügelland im Süden.“

Auf den Spuren der Reisenden vergangener Zeiten

Bahnhof Nagy 1907 & Heute – auf der Rückseite u.a. vermerkt: „Hier ist es besonders warm…“. Diese Aussage finde ich auf vielen Postkarten bis in die 1990’er Jahre hinein.

Es war im Sommer 1927 als die Weltreisende Clärenore Stinnes in ihrem Adler 6 Standard den Ort Komárom im Norden Ungarns erreichte. In ihrem Buch „Im Auto durch zwei Welten“ wird Ungarn leider kaum erwähnt. Jedoch hat ihr Mitstreiter Söderström den damaligen Balkan in seinen Bildern gekonnt eingefangen: Pferdegespanne, unbefestigte Wege und Trachten prägen seine Fotografien von damals. Eben das Europa des frühen 20. Jahrhunderts. Acht Jahre später überquerte der junge Patrick Leigh Fermor auf seinem Weg nach Konstantinopel die Brücke bei Esztergom und beschrieb lebhaft die Osterprozession zur Basilika über der Stadt.

Die Basilika in Gran um 1928, dem damaligen Esztergom – fotografiert vom slowakischen Ufer der Donau.

Kurz darauf brach der zweite Weltkrieg aus und es folgten die Jahre des Krieges, in denen Ungarn zunächst an der Seite des Deutschen Reiches kämpfte, später jedoch auf die Seite der Alliierten wechselte. Mit dem Ende des Krieges wurde das Land Satellitenstaat der UdSSR. Im Jahr 1956 entwickelte sich aus Studentenprotesten ein Volksaufstand gegen die kommunistische Regierung, welcher jedoch blutig niedergeschlagen wurde, das Land verblieb bis zum Jahre 1989 unter dem Regime der Sowjetunion.

Die Burg Tata auf einer Postkarte aus den Sechzigern und heute. Auf der Rückseite u.a. vermerkt: „Im nächsten Jahr werden wir uns oft sehen können, weil ich in der DDR studieren kann.“
Das einstige Hotel Zallo in Balatonalmádi auf einer Postkarte, welche einst in die DDR ging. Auf der Rückseite u.a. vermerkt: „[…] nach dem Mittagessen geht es in den Plattensee – welch eine Wonne!“

Nur langsam entwickelte sich der Tourismus in Ungarn, vorerst vor allem rund um den Balaton. Ungarn empfing hier Gäste von beiden Seiten des Eisernen Vorhangs, wobei gerade DDR-Bürger das Land zu schätzen zu wussten. Vetter schreibt dazu: „Vor allem der Ansturm […] deutscher und österreichischer Touristen hat die Infrastruktur in diesem Gebiet südlich und westlich der Donau revolutioniert, indem überall Supermärkte und Stände mit Obst und Gemüse, Hotels, Wellnessparks und Restaurants, Autowerkstätten und Zahnarztpraxen entstanden.“

Szentendre um 1990 & Heute: Auch Fermor durchquerte den Ort an der Donau und beschrieb ihn als: „ […] ein barockes Landstädtchen mit schmalen Gassen, Kopfsteinpflaster, Ziegeldächern und Zwiebeltürmen.“

Rund um den Plattensee

Nachdem ich das nördliche Transdanubien bereits 2020 bereiste, konzentrieren sich die Streifzüge dieser Offroad-Tour auf Ungarns Gebiet rund um den Plattensee. Zu nahe kommen wir ihm dabei jedoch nicht, denn gerade in den Sommermonaten sind seine Uferpromenaden restlos überfüllt, wie auch Vetter bemerkt: „An einzelnen Tagen im Sommer kann es vorkommen, dass eine Million Badende am Balaton versammelt sind, die dann Tonnen von Sonnenöl im warmen Wasser des Sees zurücklassen.“ Er ergänzt ferner: „Partymeilen wie die im Uferstädtchen Siófok gleichen denen auf Mallorca.“ Weil beides auf uns nicht besonders verlockend wirkt, wahren wir gebührenden Abstand.

Stattdessen geht es für uns per Allrad weiter durch Ungarn: Über gewundene Pisten,  durch kleine Dörfer und vorbei an entlegenen Höfen sehen wir viel von der abwechslungsreichen  Landschaft rund um den Plattensee. Bei Veszprem stoßen wir auf eine einstige Kaserne der K.U.K Monarchie, die später von den Sowjets genutzt wurde. Interessant ist auch das Balaton-Museum in Keszthely, wo wir uns umfassend über die Geschichte des Plattensees informieren. Und im ethnologischen Dorf bei Zalaegerszeg spüren wir den Atem der Vergangenheit – so stelle ich mir vor, dass Stinnes und Fermor Transdanubien damals gesehen und erlebt haben, die Zeit scheint stillgestanden zu haben seitdem.

Weitere POI’s in Transdanubien:

Abende im Feuerschein

Wenn die Sonne sich dem Horizont nähert und die flimmernde Sommerhitze sich langsam legt, ist es Zeit unser Camp anzusteuern. Da wir nicht immer zusammen unterwegs sind, kommen die Allradfahrzeuge aus allen Richtungen und finden sich auf einem abgeschiedenen Grundstück oberhalb des Balatons ein. Hier, im Herzen Transdanubiens, hat sich Tamas ungarischer Vater mit seiner Frau ein kleines Paradies bestehend aus Datsche, Gemüsegarten und Feuerstelle geschaffen. Während die Schlammpackungen an den Fahrzeugen in der Abendsonne trocknen, kredenzen sie uns Langos, Kesselgulasch und Schmorgerichte.

Paprika, Zwiebeln, Speck und Sauerraum prägen die ungarische Küche. Vetter schreibt in seinem Buch: „Die Osmanen brachten Paprika und Mais in die ungarische Küche. Desserts und Konditoreierzeugnisse lassen auf österreichische und jüdische Küche schließen.“ Besonders der Speck des Mangalica Wollschweins hat es mir angetan, da er sich perfekt für Schaschliks oder als Beilage in Schmorgerichten eignet und einfach vorzüglich schmeckt.

So sitzen wir jeden Abend unter dem Sternenhimmel am knisternden Feuer, schauen in die Ferne und tauschen uns über das Erlebte aus. Und ganz nebenbei schnappen wir bei Tamas Vater ein paar neue ungarische Wörter auf. Szalonna – der Name für Speck, welcher dann und wann auf einem Stock über der Steckfeuerschale brutzelt.

An Tag sieben endet unser Aufenthalt, welcher sich durch die zahlreichen Impressionen deutlich länger angefühlt hat. Mit prall gefülltem Notizbuch, einer Menge Fotos und neuer Literatur überfahre ich die Grenze nach Slowenien auf dem Weg zurück nach Hause.

Fazit: Für mich besticht Overlanding in Ungarns Landstrich Transdanubien durch seine abwechslungsreiche Landschaft samt spannenden Pisten. Historisch hat das Land eine spannende Geschichte mit einer komplexen Rolle im zweiten Weltkrieg vorzuweisen, der ich mich gerne noch weiter widmen möchte. Es ist also nicht zuletzt die vorzügliche Küche, die mich erneut nach Ungarn fahren lassen wird.

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2 Kommentare

  1. Der Schieberegler für die Fotos von damals und heute ….. Mega

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