Offroad-Odyssee in Bosnien

Im Sommer 2024 brachen wir auf, um das bosnische Kernland zu erkunden. Dabei folgten wir mit unseren Offroad-Fahrzeugen schroffen Pisten, erklommen Berge, schliefen an Seen und suchten beim Overlanden in Bosnien nach den Spuren von Titos einstiger Partisanenarmee.

Trefft uns am Vrbas

Freitag, den 19. Juli bis Sonntag, den 21. Juli 2024

Der Dieselmotor des Rangers tuckert im Standgas. „Hier sollte eigentlich ein Weg sein“, meint Tilman und prüft erneut die Satellitenkarte auf seinem Smartphone. Erst vor zwei Stunden überquerten wir die Grenze aus Kroatien kommend und stellten schnell fest, dass unsere Navigationsapps hier in Bosnien nur bedingt taugen. So stehen wir nun inmitten einer Wiese – der angezeigte Weg ist nicht existent und die Richtung, in der er gehen sollte von einem hohen Maisfeld blockiert.

„Da sollte es gehen“, nickt Tilman. Der Motor röhrt auf, die Reifen graben sich durch das Gras und geben dem Fahrzeug Vortrieb. Am Feldrand biegen wir nach links, durchbrechen kurz darauf einen von Büschen überwuchertem Weg, queren einen ausgetretenen Wassergraben und erreichen dann endlich die avisierte Piste – Erleichterung macht sich breit.

Den Feldern entkommen, schließen wir kurz darauf zu Robert mit seinem Nissan Patrol und Marko, welchen ich auch liebevoll Tante Puch nenne, mit seinem Steyer Puch auf. Erst vor wenigen Minuten haben sie die Grenze gequert. Beide sind längere Freunde von mir, beide Berliner, beide entsprechend eigen. Also auch so wie ich. Etliche Sommer haben sie hier in Bosnien bereits verbracht. Sie kennen das Land wie ihre Westentasche, so auch den idyllischen Stellplatz am Fluss Vrbas, den wir nun ansteuern. Nur einer fehlt noch: Martin und sein feuerroter Hilux – er wird erst morgen eintreffen.

Overland in Bosnien: Hoch hinaus

Montag, den 22. Juli bis Dienstag, den 23. Juli 2024

Über Felsen und groben Schotter navigieren wir die Fahrzeuge durch die bergige Landschaft Bosniens. Im Seitenfenster jagt ein Panoramablick den nächsten, hohe Berge und grüne Täler wechseln sich dabei ab. Weil Robert den Tross anführt, knacken regelmäßig seine Wortfetzen durch das Funkgerät: „Großer Stein inmitten des Weges“, „Vorsicht Kühe voraus“ oder „Wasserquelle links“. Diese sind hier so zahlreich, dass wir uns um Trinkwasser keine Gedanken machen müssen.

Regelmäßig halten wir an und erkunden schwierige Wegengen zu Fuß, erfrischen uns an den zahlreichen Wasserstellen oder passen die Reifendrücke aller Overland-Fahrzeuge an. Schließlich lässt ein abgesenkter Pneu das Fahrzeug weniger ruckeln, schont das Fahrwerk und sorgt bei schmierigen Passagen für mehr Grip.

Als wir uns einen weiteren Berg emporschlängeln, fällt mir plötzlich die steigende Kühlwassertemperatur auf. Erst kürzlich flog mir der wuchtige 3.2l Dieselmotor auf der Autobahn um die Ohren, daher gehen wir auf Nummer sicher und stoppen sofort. Während Tilman die Innenraumheizung hochdreht, um die Motorwärme abzuführen, öffne ich die Motorhaube, um die laufende Maschine abzukühlen. Weit entfernen tun wir uns jedoch nicht vom Fahrzeug, denn genau neben dem Ranger hängt eins der roten Schilder mit weißem Totenkopf am Baum. Bedeutung: Vorsicht, Landminen!

Am Abend konstatieren wir bei einem Bier: Die Automatik verwendet vermutlich zu oft den dritten Gang. So kann dem Ranger bei drei Tonnen Gewicht, 38°C Außentemperatur und wenig Fahrtwind schonmal warm werden. Fortan werde ich bei Steigungen wohl die Untersetzung nutzen müssen oder manuell schalten, damit mehr Drehzahl auf den Kühllüfter kommt.  Der zweite Gang scheint hier besser geeignet. Nichtsdestotrotz werde ich das Kühlsystem bald prüfen lassen. Für diese Reise hat sich das Vorgehen jedoch bewährt und der Ranger ist unbeschadet durch Bosnien gerollt.

„Erst die Motorkontrollleuchte, jetzt die Bierkontrollleuchte was?“

– Tante Puch, Bosnien im August 2020

Vom Nebel verschluckt

Dienstag, den 23. Juli bis Mittwoch, den 24. Juli 2024

Am Dienstag begleitet uns Martin noch bis ins Tal, verabschiedet sich dann aber samt Freundin. Sie werden einen weit entfernten See anfahren um dort auf uns warten. So klettern wir nun mit nur noch drei Fahrzeugen den nächsten Berg empor. Auf halber Höhe zum Gipfel passieren wir eine Siedlung aus Holzhütten, deren Einwohner ihr Primäreinkommen anscheinend aus Quadverleih, Restaurants und geführten Ponytouren beziehen.

Abermals geht es 500 Höhenmeter über steinige Pisten empor. Hier an der Baumgrenze vegetieren zwischen der Gras – und Felslandschaft nur noch klein gewachsene Bergkiefern. Schon bald setzt sich eine dicke Wolke am Bergwipfel fest und hüllt alles in einen Schleier aus Grau- und Blautönen. Sonne, entfernte Gipfel, Täler und auch die Fahrzeuge verschleiern zunächst und werden dann gänzlich vom Dunst verschluckt. Einzig das wärmende Lagerfeuer an unserem hier aufgeschlagenen Rastplatz gibt einen Orientierungspunkt in der unwirklichen Nebelszenerie.

Am Morgen versetzt ein herannahendes Unwetter das Camp in emsiges Treiben. Inmitten der wabernden Wolkenschwaden brechen wir hastig und mit eingeschalteten Nebelleuchten auf. Im Schneckentempo navigiert unsere kleine Karawane über unwegsame Strecken gen Tal. Als die Wolkendecke bei 1.800 Höhenmetern endlich aufreißt, stoppen wir die Fahrzeuge. Da das Frühstück und die Zahnhygiene heute Morgen etwas zu kurz kamen, holen wir beides an Ort und Stelle in einem mystisch anmutenden Panorama nach.

Traumfänger-Zeit

Mittwoch, den 24. Juli bis Samstag, den 27. Juli 2024

Dem Berg entkommen, genehmigen wir uns und den Fahrzeugen eine Pause am Ufer des Ramsko Sees. Frisch gewaschen, glänzen die Allradfahrzeuge in der bosnischen Sonne. Dazwischen baumelt die ausgewaschene Wäsche im lauen Wind und verströmt einen angenehmen Duft. Jener Wind kühlt und belüftet ebenso das aufgespannte Dachzelt, welches so zu einer ausgiebigen Mittagsruhe einlädt.

Frische Wäsche

Während Marko und Robert am Folgetag erneut Pisten beackern, verlegen Tilman und ich über glatte Asphaltstraßen umgehend an den nächsten See. Martin und seine Freundin erwarten uns bereits – sie haben die letzten drei Tage hier verbracht und freuen sich über etwas Gesellschaft. Grinsend rücke ich den Traumfänger zurecht, welcher nun für glamping-ähnliche Wohlfühlatmosphäre inmitten der Allradfahrzeuge sorgt.

Obwohl dies schon die zweite freie Woche ist, kommt erst jetzt ein richtiges Urlaubsgefühl in mir auf. Liegt es am Traumfänger? Vielleicht ein kleines bisschen, auch wenn dieses in der „Vanlife-Szene“ anscheinend unerlässliche Utensil bei uns stets für ein wenig ironische Heiterkeit sorgt. Vielleicht ist es aber auch einfach die Entspannung und die schöne Gesellschaft, die mich endlich abschalten und im Urlaub ankommen lässt. Am Abend brutzelt Grillgut, und unter dem Sternenhimmel nimmt die Steckfeuerschale den Betrieb zum Abendausklang auf.

Tito und seine Partisanen

Sonntag, den 28. Juli bis Montag, den 29. Juli 2024

Heute trennt sich unsere Gruppe abermals: Marko, Robert und Martin zieht es wieder in die Berge. Nach einem Abschlussbild brechen Tilman und ich auf, um nun ein dunkleres Kapitel der bosnischen Geschichte zu erforschen. In den Bergen und Tälern Bosniens kämpften einst Titos Partisanen gegen ihre deutschen Besatzer. Am nun unweit entfernten Fluss Neretva kam es 1943 zu einem größeren Zusammenstoß. Hier erinnert heute noch ein Museum an die Kämpfe von damals.

Auf dem Weg nach Westen folgen wir der Landstraße R436, welche sich bald in eine waschechte Piste verwandelt. Dabei passieren wir marode Brücken, Asphaltabschnitte, welche an einen Endzeitfilm erinnern und schrauben uns über enge Serpentinen diverse Berge empor. Unerwartet stoßen wir auf einen roten Van mit ausgeklappter Markise am Wegesrand. Zwei große Schnitte haben dem von der Felge gelösten Vorderreifen ordentlich zugesetzt. Ohne Ersatzrad wartet das Schweizer Pärchen nun auf den Abschleppdienst. Nachdem wir uns vergewissert haben das sie genug Wasser dabeihaben, ziehen wir von dannen.

Nach einer Nacht auf einem Privatstellplatz zwischen kleinen Hütten, machen wir uns am nächsten Tag frisch geduscht und mit gewaschener Wäsche  auf gen Süden zum Sutjetska Nationalpark. Im Sommer 1943 setzte sich Tito mit seinen Truppen gen Montenegro ab, wurden jedoch hier von Achsenmächten gestellt. Es entbrannten schwere Kämpfe, bei denen der spätere Präsident Jugoslawiens nur knapp überlebte. Heute erinnert hier ein Spomenik samt Museum an die gefallenen Partisanen.

Spomenik im Sutjetska Nationalpark

Persönlicher Buchtip:

Wer mehr über die Orte und Hintergründe der Spomeniks erfahren möchte, dem empfehle ich das Buch „Spomenik Monument Database“. Alternativ können diese auch über die Spomenik Database abgerufen werden.

Dieser 208-seitige Buch beleuchtet die Geschichte von 81 Spomeniks im Raum des ehemaligen Jugoslawiens. Neben Fotos und Eckdaten, wie Architekt, Material und Ortsangabe behandelt das Buch die jeweilige Entstehungsgeschichte, das Design und den aktuellen Zustand des jeweiligen Monuments.


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Der See, der verschwindet

Montag, den 29. Juli 2024 bis Donnerstag, den 01. August 2024

Am Nachmittag lassen wir uns am Bilećko  See nahe der kroatisch-bosnischen Grenze nieder. Das schroffe Felsumland erinnert an eine Mondlandschaft. Ganz allein sind wir hier aber nie: In der Ferne baden Kühe und weiter oben suchen wilde Pferde nach etwas Essbarem. Dann und wann kommt ein Golf vorbei, vollgepackt mit Angelausrüstung. Unzählige dieser Fahrzeuge in verschiedenen Zuständen und Farben sahen wir in den vergangenen Tagen. Wohl nicht umsonst wird dieser von der bosnischen Folklore-Band Sateliti lobend besungen.

Am Mittwoch heißt es dann Abschied nehmen: Ich lade Tilman am Flughafen Dubrovnik ab, frische die Vorräte auf und kehre zurück zum See. Kurz darauf trifft Robert ein und leistet mir Gesellschaft.

Am frühen Morgen kommen die Fischer, gegen Mittag die Kühe und am Abend die Pferde, kläre ich Robert auf. Auch geht der See langsam zurück, gestern war der Wasserstand noch einen Meter höher. Ursache ist sicherlich der Abfluss über das Wasserkraftwerk Trebinje I, denn vor langer Zeit wurde der See künstlich angestaut, ein ganzes Dorf wurde dafür aufgegeben und überflutet.

Für zehn Euro überlässt uns einer der gerade zurückgekehrten Fischer einen Zander und ich mache mich direkt ans Entschuppen. In der untergehenden Sonne genießen wir den gegrillten Fang und frischen Salat. Ich werde Morgen gen Slawonien aufbrechen, Robert hingegen wird weiterreisen – bis nach Albanien und darüber hinaus.

Bosniens einmalige Landschaft, Pisten und das Gefühl von fahrerischer Freiheit hat mich nachhaltig beeindruckt. Ebenso konnte ich durch Robert und Tante Puch viel Neues lernen, musste dafür aber auch mit entsprechenden Kochkünsten bezahlen – so ergänzt man sich eben auf Reisen. Gut gesättigt, blicken wir gen Himmel und beobachten noch unzählige Sternschnuppen an unserem letzten gemeinsamen Abend.

Fazit: Bosnien besticht durch eine abwechslungsreiche Berglandschaft und verwundene Pisten in verschiedenen Schwierigkeitsstufen. Hinzu kommen interessante Points of interests und idyllische Stellplätze in windigen Höhen oder einladenden Seen. Ich werde definitiv wieder kommen.

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8 Comments

  1. Moin, dass ist ja auch wieder ein sehr schöner Bericht geworden. Danke dafür. Aber warum nennst du es eine Odyssee? ;-P Schade, dass ich nicht dabei sein konnte, ich hoffe es klappt im nächsten Jahr. Auf dem einen Bild sieht es aus wie eine eingestürzte Eisenbahnbrücke?

    • Moin, nun weil es eine abenteuerliche Reise mit vielen Hindernissen war. Zumal es so wohlklingend daher kommt! 😀
      Die erste Brücke wurde 1943 von den Partisanen gesprengt. Die Deutschen bauten daraufhin eine neue welche dann abermals für Filmaufnahmen gesprengt wurde. (Die Schlacht an der Neretva – Film von 1969)

      Gruß

      Christian

  2. Schön geschrieben und war sicherlich ein Abenteuer. Kann Deinem Fazit nur zustimmen. Hoffe, dass das mit den Abenteuerpisten noch eine Weile so bleibt.

  3. Alexander Lubic

    Ein schöner Bericht. Suche Gleichgesinnte für 4×4 Reisen. Ranger2020Raptor/AluCab.
    Gruß aus Berlin. Sascha

  4. Schön geschrieben weiter so.

    BG

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