Im Sommer 2024 brachen Tilman und ich auf, um Slawonien zu erkunden. Der als Kornkammer Kroatiens bekannte Landstrich wartet dabei mit interessanten Strecken, historischen Sehenswürdigkeiten und natürlich sich aneinander reihenden Kornfeldern auf.
Frontstädte
Dienstag, den 16. Juli 2024
Bis zum Horizont reicht die vor uns liegende Asphaltstraße, links und rechts wird sie von Feldern gesäumt. Dazwischen, wie mit dem Pinsel getupft: Einzelne Baumgruppen und Gehöfte. „Wir haben Slawonien erreicht“, meint Tilman.
Seit zwei Tagen sind wir unterwegs, suchten uns einen Weg über Transitstraßen aus Polen über Tschechien und der Slowakei bis an die ungarische Donau. Dieser folgten wir bis in jenes kroatische Gebiet zwischen Serbien und Zagreb, bekannt als Slawonien. Heute schaffen wir es bis nach Vukovar, einer Stadt an der Donau. Sie war, ähnlich wie das nördlicher liegende Osijek, während des kroatischen Krieges schweren Kämpfen ausgesetzt.
Im örtlichen Krankenhaus schließen wir uns einer geführten Gruppe durch die alten Kellergewölbe an. Auf Kroatisch erzählt uns eine Krankenschwester von den Tagen im Krieg. Eine Übersetzerin hilft beim Verstehen, deutet auf unterschiedliche Räume und sagt: „Hier wurden die Kinder beherbergt, hier die Schwangeren und hier die Schwerverletzten“. Zeitweise ringt sie mit den Tränen – wer weiß welche Erinnerungen die eigenen Erzählungen in ihr ausgelöst haben. Wir fühlen mit und versuchen uns die Szenerie vorzustellen, ohne den Schrecken des Krieges tatsächlich nachempfinden zu können.
Sehnsuchtsort Donau
Dienstag, den 16. Juli bis Mittwoch, den 17. Juli 2024
Ab Vukovar folgen wir der Donau einige Kilometer nach Süden und landen schlussendlich auf dem kleinen Stellplatz von Dinka und Romano. Am Ufer angeln einige Dorfbewohner und ziehen richtige Kaventsmänner aus dem Fluss. Ich tippe auf Bachforelle. Andere genießen ihr kühles Bier oder nehmen ein abendliches Bad im Fluss. Wir tun es ihnen gleich und suchen uns ein schattiges Plätzchen mit Blick auf die Donau.
„Very nice car, dobro!“
– Romano, Slawonien im Juli 2024
Am Morgen weckt mich das entfernte Grollen eines Gewitters. Zwangsläufig muss ich an Romanos gestrige Worte denken: „Damals schoss die serbische Artillerie aus den Wäldern auf die hiesigen Dörfer, die schweren Beschuss-Spuren sieht man heute noch“. Ein schwerer Gedanke direkt zum Start des Tages, den auch die erste Tasse Kaffee und mein Blick auf die Donau nur langsam wegzuspülen vermögen.
Später kommen wir mit einem rastenden Donauradler ins Gespräch. Er berichtet: „Ich bin in Ingolstadt gestartet und will es mindestens bis nach Serbien schaffen“. Am Nachmittag trifft mit einem Kajakfahrer, der bis Rumänien paddeln will, der nächste Donaureisende ein. Ich bin fasziniert von ihren Reiseerzählungen, sauge sie förmlich auf, und in mir reift die Idee, der Donau selbst einmal zu folgen.
Die Impressionen der vergangenen Tage, gepaart mit den Erzählungen der anderen Reisenden, lassen in mir die Planung zu einer dezidierten Donau-Überlandfahrt weiter reifen. So liege ich nach dem Abendbrot im Dachzelt, Blicke auf den Fluss und beginne schon vom nächsten Urlaub zu träumen: Mit dem Ranger von Donaueschingen, wo die Donau noch ganz schmal ist, bis Österreich. Dann gen Bratislava, vorbei an den Bunkern des Tschechoslowakischen Walls, den Donau-Auen in Ungarn folgend gen Gran. Bevor ich in Gedanken die ungarische Tiefebene erreiche, bin ich eingeschlafen.
Slawonien Überland: Ruinen, Pisten und Pässe
Mittwoch, den 18. Juli bis Freitag, den 20. Juli 2024
Die Donau verschwindet im Rückspiegel und wir folgen nun einem Trail in das slawonische Kernland. An den Seitenfenstern rauschen Sonnenblumen, Kornfelder, Maispflanzen und grasende Kühe vorbei. Dann und wann erscheinen Häuser, deren Fassaden durch schwere Kaliber in Mitleidenschaft gezogen wurden. Aber auch beschaulich restaurierte Dörfer passieren wir und kreuzen dabei den Blick der Alten, die im Schatten der Häuser auf weißen Plastikstühlen sitzen und sich angeregt unterhalten. Einige heben die Hand zum Gruß.
Hier an der Grenze zu Bosnien werden ausländische Fahrzeuge anscheinend besonders gern kontrolliert. Ob aus einem zivilen, silbernen Ford Ranger oder einem in Neonfarben beklebtem Polizeiauto, regelmäßig signalisiert uns eine winkende Kelle, den Ranger zu stoppen. Schon nach der zweiten Kontrolle stecken wir die Ausweise nicht mehr allzu weit weg und sobald die nächste Kelle schwingt, folgen wir fortan demselben Prozedere: Bevor der Polizist zu Wort kommt, halte ich bereits alle Dokumente aus dem Fenster und begrüße ihn mit einem freundlichen „Dobar dan“. Der proaktive Ansatz zeigt Wirkung, oft prüft der jeweilige Polizist nur kurz die Papiere und lässt uns kurz darauf von dannen ziehen. Am Ende des Abends werden es fünf Kontrollen gewesen sein.
„What is this overlanding? Is this car for fishing?“
– Kroatischer Polizist, Slawonien im Juli 2024
Am letzten Tag unserer Reise sind wir früh auf den Beinen, denn bevor wir am Nachmittag in Bosnien einreisen, stehen noch die Spomeniks auf dem Plan. Erstmals sah ich eines dieser Denkmäler auf unserer Tour durch das kroatische Hinterland. Die Spomeniks sind über das Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens verstreut und erinnern auch heute noch an gefallene Partisanen und zivile Opfer während des zweiten Weltkrieges.
Unsere erste Station ist das Denkmal für die Revolution des Volkes von Moslavina. Fälschlicherweise werden diese Orte der Erinnerung in den Sozialen Netzwerken gern mit den Schlagwörtern #verlassen, #vergessen oder wahlweise auch #verschollen oder #lostplace versehen – dies ist nur seltenst der Fall, sorgt aber natürlich für höhere Klickzahlen.
Persönlicher Buchtip:
Wer mehr über die Orte und Hintergründe der Spomeniks erfahren möchte, dem empfehle ich das Buch „Spomenik Monument Database“. Alternativ können diese auch über die Spomenik Database abgerufen werden.
Dieser 208-seitige Buch beleuchtet die Geschichte von 81 Spomeniks im Raum des ehemaligen Jugoslawiens. Neben Fotos und Eckdaten, wie Architekt, Material und Ortsangabe behandelt das Buch die jeweilige Entstehungsgeschichte, das Design und den aktuellen Zustand des jeweiligen Monuments.
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Zurück in Slawonien
Freitag, den 02. August 2024
Zwei Wochen sind vergangen. Die bosnisch-kroatische Grenze liegt hinter mir. Der altbekannte silberne Ranger wartet bereits unter den Bäumen, doch dieses Mal winkt keine Kelle. Schade, meine Dokumente liegen bereit. Grüßend fahre ich also vorbei und erreiche bald darauf das Domizil von Romano und Dinka erneut. Sie haben schlechte Nachrichten: „Die Dorfbewohner sind neidisch und glauben wir verdienen hier sehr viel Geld, jetzt schicken sie die Polizei“, schildert Dinka besorgt. „Der Rasen vor unserem Haus ist öffentlicher Grund, die Polizei hat kürzlich alle Camper weggeschickt. Aber du bekommst ein Zimmer bei uns“, ergänzt Romano freundlich. Eigene Dusche und Toilette – nach insgesamt fast vier Wochen Offroad-Urlaub eine willkommene Abwechslung.
Zusammen mit drei kroatischen und einem französischen Paddler sitzen wir zur Abendstunde bei Romanos Pasta, tauschen uns über unsere Reisen aus und genießen die ausgelassene Stimmung bei Musik und Bier. Als Nachtisch serviert Tristan noch eine Spezialität: Clafoutis, eine Art französischen Auflaufkuchen mit Kirschen.
„Dobro super Ranger! Vroom, vroom Offroad!“
– Betrunkener Dorfbewohner, Slawonien im August 2024
Gegen 23 Uhr kann ich kaum noch die Augen offenhalten und verabschiede mich von allen. Frisch geduscht komme ich in einem richtigen Bett zur Ruhe. Wieder wandern meine Gedanken an die Donau: Vom eisernen Tor über Rumänien bis an das Donau-Delta – das wärs! Mein Smartphone blinkt kurz auf, darauf eine Nachricht von Kai: „Bin mit meinem Navara in Ungarn, morgen treffen an der Donau?“
Fazit: Slawonien besticht vor allem durch einen „sanften Tourismus“ und geschichtlich interessante Orte mit Bezug zum kroatischen Unabhängigkeitskrieg. Sehenswert ist das Donaugebiet allemal, ansonsten ist Slawonien vor allem durch Agrarlandschaft geprägt.
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Wieder ein interessanter Reisebericht von einer interessanten Gegend. Vielleicht passt es demnächst und können der Region „Slawonien“ einen Besuch abstatten.
Sicherlich sehenswert! Hier kann man gut und gerne drei bis vier Tage verbringen. 🙂
Gruß
Christian